Ob man nun religiös ist oder nicht, tut es doch gut, mal eine gewisse Zeit auf Dinge zu verzichten, die viel Zeit in Anspruch nehmen, um mehr Zeit für Anderes zu schaffen. Gerade wenn man gemerkt hat, dass die guten Neujahrsvorsätze nicht erfüllt wurden und man sie getrost auf nächstes Jahr verschoben hat, könnte es Anreiz sein, auf etwas „nur“ 7 Wochen zu verzichten. Nun also 7 Wochen ohne „Schachzocken“.
Was ist eigentlich „Schachzocken“? Von „Zocken“ spricht man im Schach, bei Partien mit kurzer Bedenkzeit, die man irgendwo zwischendurch oder nebenbei, während man andere Tätigkeiten ausübt, spielt. Dabei kennzeichnet solche Partien, dass man sich aufgrund des Umstands, dass man mit anderen Dingen in der Umgebung beschäftigt ist, nicht wirklich voll auf die Schachpartie konzentriert und deshalb normalerweise deutlich unter der normalen Spielstärke spielt.
Warum gerade jetzt? Lange Zeit musste man, um in den Genuss einer Schachpartie zu kommen, einen Gegner und einen Raum finden. In sogenannten Schachcafés trafen sich Spieler, um alles andere in der Umgebung zu vergessen und sich mit bekannten oder unbekannten Gegnern zu „duellieren“. Mit dem Aufkommen von Schach-Computern brauchte man zum „Steine schieben“ nicht mehr vor die Tür zu gehen. Doch der mehr oder wenige einfache Algorithmus, konnte niemals den Spaßfaktor von realen Partien erreichen. Die Schachpogramme für den PC, sorgten dann für ein ganz neues Spielerlebnis und konnten so programmiert werden, dass sie sogar die stärksten Schachspieler bezwangen. Die nächste Stufe bestand darin, dass es nicht mehr (allein) darum ging Engines mit einer hohen Spielstärke zu entwickeln, sondern Engine zu programmieren, die sich besonders gut an die Spielstärke der menschlichen Gegner anpassen und je nach Spielstärke menschliche Fehler machen. Damit schrumpfte der Unterschied zwischen digitalen und realen Partien. Mit der Verbreitung des Internets musste man sich zu Hause nicht mehr nur Computer-Gegnern stellen, sondern konnte über eine Vielzahl von Schachservern Menschen aus aller Welt zu einer Partie auffordern. Dadurch wurden Partien mit einer Minute Bedenkzeit („Bullit“), bei denen man sogar ziehen konnte, bevor der Gegner seinen Zug ausgeführt hat („premoven“) sehr beliebt. Doch der einschneidenste Moment war wohl die Verbreitung von Smartphones. Man musste nun nicht mehr irgendwo an einem Rechner sitzen sondern konnte sich überall an einer Partie Schach versuchen. Das bedeutet auch, dass man sich nicht mehr geziehlt an den PC setzt, um zu spielen, sondern, dass man dies auch zwischendurch tut; ob man im Wartezimmer sitzt, an der Bushaltestelle steht, in der S-Bahn sitzt, noch ein paar Minuten von der Mittagspause übrig hat oder vielleicht längere Zeit auf der Toilette verbringt. Die nächste Schach-Partie ist nur einen Klick entfernt und dauert meist nur ein paar Minuten. Viele Schachspieler spielen pro Woche ein vielfaches an Partien auf einem visuellen Schachbrett, als auf einem echten!
Warum soll ich auf „Schachzocken“ verzichten? Viele Schachspieler, so auch einmal vor längerer Zeit unser Trainer GM Michael Richter gehen davon aus, dass Partien, die in den Bereich von „Schachzocken“ fallen, nicht dazu beitragen, dass man sich schachlich verbessert. Vor allem, wenn man plötzlich in die „Schachwelt“ hineingeworfen wird und trotzdem versucht die Umwelt wahrzunehmen (z. B. ob ich den Bus, der da gerade kommt, nehmen kann). Aus eigene Erfahrungen spielt man etwa genauso gut, wie sonntags bei der BMM zwischen 9 und 9:15 Uhr. Außerdem führen solche Partien oft eher zu Stress im Gehirn, anstatt die Zeit zu nutzen, um sich zwischen anstrengenden Aufgaben zu entspannen. Stattdessen sollte man die Zeit lieber nutzen, um die Umwelt in Ruhe wahrzunehmen. Wer unterwegs nicht auf Schach verzichten möchte, könnte sich Zeit nehmen, um Schachaufgaben, die der eigenen Spielstärke entsprechen, zu lösen. Oder besonders einfache Aufgaben ständig zu wiederholen, um sich das ABC der Taktik und die wichtigsten Mattbilder (wieder) ins Gedächtnis „einzubrennen“. Das nötige Material wie Schachbücher und Stufenhefte gibt es in der Bibliothek unseres Schachvereins, einfach mal vorbeischauen!
Muss jetzt also mein Schachprogramm auf meinem Computer ausbleiben? Nein, das habe ich niemal gesagt! Bevor man eine Schachpartie beginnt, sollte man sich nur vergewissern, dass man in der Zeit, die die Partie maximal dauern kann, nicht von anderen Aufgaben ablenkt wird. Außerdem sollte man sich genau überlegen, mit welchem Zeitmodus man spielen möchte. Ist man gerade in der Lage eine Blitz-Partie möglichst sauber zu spielen? Möchte man mehr Zeit haben, um geübte Taktiken in der Partie umsetzen zu können? Soll die (genaue) Variantenberechnung im Vordergrund stehen? Allgemein sollte man bdenken, dass Partien mit weniger als 5 Minuten Bedenkzeit nur selten zur einer Verbesserung der eigenen Schachfähigkeiten beitragen. Dann steht der nächsten Partie nichts mehr im Weg!
Ich, der ein großer „Schachzocker“ bin, möchte in den nächsten 7 Wochen darauf verzichten und lieber auf meiner Schach-App ein paar Taktik-Aufgaben lösen, aber natürlich nur, wenn ich wirklich dazu Zeit habe. Wer von euch ist mit dabei?
Wer in netter Gesellschaft wieder „zum Zug kommen“ möchte (0b Königsjäger oder nicht), ist herzlich eingeladen zu unseren gewöhnlichen Schachabenden vorbeizukommen. Am 23.2. steht Schnellschach auf dem Programm, am 2.3. wird geblitzt, wie immer geht’s um 19:30 Uhr los.